Programme

Wir widmen uns vorrangig der Musik unserer Zeit, wobei die Zusammenarbeit mit anderen Musikschaffenden eine zentrale Rolle spielt. So entstehen Werke, die unseren Klang formen. Weiterhin setzen wir uns mit alten und neuen Melodien auseinander und wenden uns auch Alter Musik sowie dem Jazz zu. Unsere Bühnenprogramme leben von gemeinschaftlicher Dynamik, inhaltlicher Dramaturgie, von choreografischen Akzenten und von der Erkundung der Architektur und Raumakustik.

MERIDIANE

Ein Konzert – gesungen, getanzt, gespielt

Meridiane ist eine Suche nach Verbindung. Mit uns selbst und anderen Kulturkreisen. Mit Sprachen, die wir nicht kennen, nicht verstehen und die nur wenig oder gar nicht mehr gesprochen werden. Diese und bekannte Sprachen erklingen in Volksweisen, welchen ein Gefühl von Heimat und tiefer Vertrautheit mit den eigenen Traditionen innewohnt. Sie geben uns Einblick in das Denken, Fühlen und Erleben der Menschen. Um diesen zu vertiefen, verbanden wir uns mit MuttersprachlerInnen und ihrem Bezug zu dem Liedgut ihrer Kultur. Wie groß ist dessen Bedeutung in Anbetracht der Globalisierung? Welche Texte und Melodien sprechen heute noch zu uns? Und was offenbart uns das über unsere persönliche Verbindung zu den Volksweisen unserer Heimat?

Volksweisen stehen häufig im Zusammenhang mit Ritualen und Festen, die neben der musikalischen eine physisch handelnde Ebene besitzen. Auch wir bedienen uns körperlicher Ausdrucksmittel, denen eine gleichbedeutend universelle Verständlichkeit wie der Musik innewohnt. Meridiane verknüpft Gesang und Sprache mit Bewegung, Tanz, (Body) Percussion und Pantomime. Dabei transzendiert das Programm zwischen Traditionellem und Innovation. In Zusammenarbeit mit Komponierenden  sind neue Werke entstanden, welche alte Texte und Melodien in neue Gewänder hüllen. Mit stimmlicher Wandlungsfreude tauchen wir in die Mysterien anderer Kulturkreise ein.

Für uns sind Traditionen nicht nur eine Erinnerung an die Vergangenheit. Sie sind lebendig. Durch sie können wir Gestriges und Gegenwärtiges zusammenführen. Meridiane erzählt von unserer Begegnung mit den Volksweisen farbenreicher Kulturen, in welcher wir auch eine Verbindung mit uns selbst gefunden haben.

BACHS ENGRAMM

Alle kennen Bach. Doch was ist ein Engramm?

Unsere Entwicklung und das Erinnerungsvermögen gehen auf das ständige Sammeln von Erfahrungen zurück. Sie werden sofort gespeichert, indem sie als physiologische Reize Veränderungen an der Struktur unseres Gehirns hinterlassen. Diese Spuren nennt man Engramme, und sie formen unser Gedächtnis.

Den italienischen KomponistInnen Laura Marconi und Gianluca Castelli dient die Faszination für die Funktionsweise des menschlichen Gehirns seit Jahren als Inspirationsquelle. Sie führte sie zuletzt an Publikationen wie „The Emotional Brain“ von Joseph LeDoux und „This is your Brain on Music“ von Daniel Levitin heran. Als sie von Sjaella den Auftrag erhielten, sich für die Freiberger Silbermann-Tage im Herbst 2023 dem „Dritten Theil der Clavierübung“ von Johann Sebastian Bach zu widmen, schöpften sie erneut aus dieser Quelle. Die Konzertbesucher sollten in den Genuss eines Gesamtwerkes kommen, das Teile der sogenannten „Orgelmesse“ enthält, welche wiederum durch das virtuose Spiel von Domorganist Albrecht Koch die zugehörigen Choräle umrahmen – neu arrangiert für das Leipziger Vokalsextett Sjaella.  

Marconis und Castellis Choralbearbeitungen sind ein akustisch vielfarbiger Tauchgang in Teilbereiche der Psychologie und der Neurowissenschaft. Bach-Motive werden mit Erinnerungsmechanismen wie dem Träumen, der Amnesie, dem Ohrwurm oder dem Flashback verwoben. Sie tauchen auf, verschwinden, werden verarbeitet, mit anderen Klangelementen assoziiert, und schließlich verschmelzen sie mit dem Unbewussten. Auf diese Weise gelingt es den KomponistInnen nicht nur, ihr eigenes künstlerisches Schaffen mit der Alten Musik sowie dem bekannten Repertoire des Vokalensembles zu verbinden. Sie vergegenwärtigen außerdem den großen Wiedererkennungswert und damit eine Vertrautheit, die in Bachschen Werken ruht.

Ein poetischer Leitfaden, der dieses etwa 80-minütige Gesamtwerk zusammenhält und die Komplexität des menschlichen Gedächtnisses widerspiegelt, ist Emily Dickinsons Gedicht „The Brain“ von 1863. „The brain is wider than the sky, […] is deeper than the sea, […] is just the weight of God. […]“

Die Fülle an Informationen, die unser Gehirn täglich aufnimmt, filtert und sortiert, ist unbegreiflich. Dabei hat die Forschung der letzten Jahrzehnte gezeigt, dass sich musikalische Reize fester setzen als andere. Wenn Bach nur wüsste, wie tief die Erinnerungen an seine Musik ankern…



among the branches / Inmitten der Zweige

Umringt von Natur. Wie viele große und kleine Wunder sind da eigentlich, verschleiert von der Macht unserer Gewohnheiten?

Inmitten der Zweige befinden wir uns zu Beginn des Konzertabends. Die Gesänge der Vögel sind farbenreiche Laute des Lebens, welche schon Clément Janequin oder Henry Purcell vor mehreren hundert Jahren und jüngst auch die amerikanische Komponistin Caroline Shaw zu verschriftlichen wussten. Sjaella widmet den Vögeln, welche in uns die Lebens- und Liebeslust erwecken, eine kleine Suite in französischer und italienischer Sprache.

Menschen beobachten und genießen jeden Wandel in der Natur aufs Neue. Wie eintönig wäre unser Leben ohne die Jahreszeiten? Welche von ihnen nun die schönsten Vorzüge hat, darum buhlen sie selbst vor dem Feenkönig Oberon in Henry Purcells Semi-Oper The Fairy Queen. Was sich hier augenscheinlich trennt, sind Teile eines Zyklus‘, die symbiotisch Hand in Hand gehen. Um zu verstehen, wie gut die Natur ihre zyklischen Erscheinungen eingerichtet hat, werden wir hierauf eingeladen, Follikel und Hormone im weiblichen Körper zu begleiten und dabei zuzusehen, wie sie monatlich walten, ansteigen, abfallen und miteinander in Dialog treten.

Der Wechsel vom Tag zur Nacht ist ebenfalls ein kleiner essenzieller Zyklus, der unser Leben bestimmt. Jede Nacht birgt Schönheit, Liebesgeheimnisse, Träume und friedliche Stille, wovon die Geister der Nacht in Purcells The Fairy Queen erzählen. Diese allegorischen Figuren spannen schließlich einen Bogen zu den geheimnisvollen Wesen der nordischen Mythologie. Natur und Geschichten des Herzens vereinen sich in diesen Volksweisen, wobei jedem Lied durch charakteristische Arrangements und stimmlicher Wandelbarkeit der Raum gegeben wird, Mysterien seines Kulturkreises zu enthüllen.

NORDIC NIGHT

Zeitgenössische Kompositionen sowie Arien des englischen Barockkomponisten Henry Purcell leiten den ersten Teil des Konzertes ein. Der norwegische Komponist Ola Gjeilo lässt uns die Schönheit der Nordlichter seines Heimatlandes erleben; anschließend hören wir das Eis in Crystallized der jungen Komponistin Meredi singen. Als Zyklus erscheinen die Vier Geister der Nacht aus „The Fairy Queen“, die die Feenkönigin Titania in einen sanften Schlaf sinken lassen. Wer nicht schläft, betrachtet gern den Sternenhimmel, begleitet von der Ehrfurcht vor der Weite des Universums. Sara Teasdale fand vor über hundert Jahren zeitlose Worte für dieses Gefühl und veranlasste Ēriks Ešenvalds zu seiner Komposition Stars. Schwingende, in einem hohen Cluster gestimmte Gläser lassen das Funkeln der Sterne hörbar werden und umrahmen die Worte über ein weiteres Wunder in unserem Leben.

Von den allegorischen Figuren aus „The Fairy Queen“ spannt Sjaella schließlich einen Bogen zu den geheimnisvollen Wesen der nordischen Mythologie. Natur und Geschichten des Herzens vereinen sich in diesen Volksweisen, wobei jedem Lied durch charakteristische Arrangements und stimmlicher Wandelbarkeit der Raum gegeben wird, Mysterien seines Kulturkreises zu enthüllen.



ORIGINS
Origins
© Lara Müller

Vom Ursprung aus dem Äther in die Existenz. Der Ausgangspunkt - der Auakt - der Anfang. Sein Zuhause liegt in der Wiederkehr.

Der Blick auf natürliche Kreisläufe färbt die barocken und zeitgenössischen Werke dieses Konzertabends. Zwischen experimentellem Minimalismus und pittoresken Arien entstehen aus dem Mysterium der Schöpfung das Licht, die Zeit und alles Leben.

Mit dem Programm »Origins« (Ursprünge) widmet sich das Ensemble Sjaella den natürlichen Zyklen, die den Menschen seit Anbeginn umgeben. Durch Zeitalter hindurch erlebte der Mensch den Wechsel der Jahreszeiten, die Kra der Elemente, den Rhythmus von Tag und Nacht, den eigenwilligen Zyklus des Körpers sowie die Auseinandersetzung mit Vergänglichkeit und Wiedergeburt. All diese Themen werden an diesem Abend in einer Einheit präsentiert, die - gerahmt durch Schlüsselworte der Schöpfungsgeschichte und ein postapokalyptisches Vakuum - wiederum einen Zyklus in sich erkennen lässt. Inspiration fand Sjaella unter anderem in Auswirkungen der Corona-Pandemie auf ihre Wahrnehmung der eigenen Instabilität und auf die Entfaltung ursprünglicher Bedürfnisse, wie die Nähe zur Natur oder zu anderen Menschen. Neue, von Hoffnung getragene Perspektiven entstanden.

Im Fokus der Musik liegt die Gegenüberstellung sowie Vereinigung von neu arrangierten Liedern des 16. und 17. Jahrhunderts und zeitgenössischen Kompositionen, die zum Teil dem Stil der amerikanischen Minimal Music folgen.

WELTEINKLANG
Preisung
© Petra Haase

Es sind bewegende und zeitlose Themen, die in diesem Konzert vereint ihre zentralen Plätze einnehmen: der Frieden, die Wunder der Natur und die Liebe. Neuvertonungen geistlicher Texte, Gebete und Hymnen von Arvo Pärt, Ola Gjeilo und weiteren Künstlern unserer Zeit leiten den ersten Konzertteil ein. Den Weg in die Natur findet das Programm mit dem Jahreszeiten-Zyklus aus Henry Purcells Semi-Oper „The Fairy Queen“ – für Sjaella neu und mit barocken sowie zeitgenössischen Elementen bearbeitet. Hier begegnen sich tonmalerisch die Freuden und auch die Vergänglichkeit des Lebens. Der zweite Teil des Konzertprogrammes widmet sich den Volksweisen aus dem Norden Europas. Jedem Lied wird durch charakteristische Arrangements und stimmlicher Wandelbarkeit der Raum gegeben, Mysterien seines Kulturkreises zu enthüllen. In Geschichten über verlorene Liebe, Sehnsucht, eigentümliche Naturgeister und tollkühne Wagnisse zeigt sich jede Region in ihrer ganz eigenen Besonderheit.

PREISUNG
Preisung
© Petra Haase

Geistliche Vokalmusik des 20./21. Jahrhunderts

Das Konzertprogramm »Preisung« beinhaltet Vertonungen geistlicher Texte und Bearbeitungen von geistlichen Gesängen. Vertreten sind Werke verschiedener Komponisten wie Knut Nystedt, Ola Gjeilo, Hugo Distler oder Ēriks Ešenvalds. Weiterhin wird das Programm durch eigens für uns geschriebene Kompositionen bereichert. Eine fruchtbare Zusammenarbeit besteht zum Beispiel mit Simon Wawer, Paul Heller, Volker Bräutigam, Gregor Meyer und David Timm. Textgrundlagen der Werke sind Psalmen, Messtexte, Antiphone, Texte von Paul Gerhardt oder Martin Luther sowie geistliche Dichtungen.

Teile aus diesem Programm sind auf der 2013 beim Klassiklabel querstand erschienenen CD »Preisung« zu hören. Die Auswahl der Stücke ist flexibel und das Programm wird stetig erweitert.

Auszüge:

Simon Wawer: »Morgengesang«
Knut Nystedt: »You are my brothers keeper«
Ola Gjeilo: »Ave generosa«
Erik Esenvalds: »O salutaris hostia«
Paul Heller: »Wir glauben all an einen Gott«